Startseite Fahrtensegeln Törnberichte 2007 - Anmerkungen zum Törn „Einhand Rund Norddeutschland“

Einhand rund Norddeutschland Was mit Einhand gemeint ist, muss man Seglern nicht erklären. Was Einhand jedoch für einen ganz „normalen“ Törn bedeutet, darüber sind sich die wenigsten im Klaren. Alles was bei der Planung und Ausführung eines Familien- oder Chartertörns durch viele Hände erledigt wird, muss bei der Einhandsegelei so organisiert werden, dass die gute Seemannschaft nicht auf der Strecke bleibt, da man bekanntlich nur eine Hand für sich und eine Hand für das Boot hat.

Jeder Tagesabschnitt ist deswegen genauestens im Voraus zu planen. Ich habe mich u.a. entschieden, dass ein Tagesziel nur zwischen 20 bis zu höchstens 40 Seemeilen entfernt sein sollte. Das nimmt bei meinem Boot und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 4 kn ca. 5 – 10 Stunden reine Segelzeit in Anspruch. Bei Einhand muss man allerdings immer die ungünstigsten Umstände berücksichtigen, so dass auch eine viel längere Zeit einzuplanen ist, die man dann auch unter extremen Bedingungen physisch und psychisch bewältigen muss. Deshalb habe ich für mich einige Parameter festgelegt, von denen ich nur selten abweiche. Da sind u.a.:

 

  • Verlasse niemals den sicheren Hafen, wenn „draußen“ mehr als 6 Bft. zu erwarten sind.

  • Segele niemals gegen den Wind an, wenn er mit 5 und mehr Beaufort weht.

  • Wenn das Ziel schon in Luv liegt, dann sollte die Tagesstrecke 20 Seemeilen nicht überschreiten.

  • Unter Berücksichtigung von Wetterbedingungen, -prognosen, Strömungen, Tide und anderer vorausschaubarer Faktoren vor Tagesstart immer schon eine oder mehrere Alternativen zum Törnverlauf planen.

  • Alle Wegepunkte der Tagesstrecke und die der Alternativen als Route vor dem Ablegen im GPS-Gerät erfassen.

  • Gesegelt wird grundsätzlich nur mit Schwimmweste.

  • Das Cockpit wird nur verlassen, wenn es unbedingt nötig ist und dann immer durch einen Lifebelt gesichert

Einhand rund NorddeutschlandSpeziell für diesen Törn hatte ich weitere Probleme zu lösen. Es waren diesmal nicht nur die Hafenmanöver – wie immer bei Einhandtörns - allein durchzuführen, sondern es musste auch der Mast gelegt und wieder aufgestellt werden, 37 Schleusen in unterschiedlichen Bauweisen waren allein zu bewältigen und es gab die verschiedensten Strömungsverhältnisse in den Fluss- und Seerevieren. Die große Unbekannte blieb jedoch die Tauchtiefe der Elbe. Für mein Boot benötige ich ca. 1,20 m. Bei meinem Törnstart lag die dortige Tauchtiefe noch bei 2,30 m. In heißen Sommern sinkt sie auf der Elbe schon mal auf 0,80 m ab. Und bei Beginn der Reise zeichnete sich gerade eine Hitzeperiode mit über 30° Celsius ab.

Durch eine gute Vorbereitung ließen sich die anderen Probleme leichter bewältigen als gedacht. Für das Mastlegen stehen in der Marina Marco in Stettin eigentlich immer Hilfskräfte zur Verfügung, die ich aber nicht benötigte, da ich mir vorher eine spezielle Technik zu Recht gelegt hatte, die auch funktionierte. Ansonsten ist diese Marina für derartige Umrüstarbeiten vor allen Dingen für größere Boote gut geeignet. Die Strömung der Oder nördlich des Stettiner Hafens ist minimal und kann gut ausgesegelt werde. Erleichtert wird das dadurch, dass man die Oder durch den Kamelkanal verlassen kann und dann weiter durch den Dammschen See strömungsfrei parallel zur Oder zur Marina Marco in Stettin segelt. Südlich von Stettin nutzt man nur noch ca. 3,5 Seemeilen die eigentliche Oder mit einer erträglichen Gegenströmung, um dann in die strömungsfreie Westoder abzubiegen und weiter die weitestgehend strömungsfreien deutschen Kanäle bzw. kanalisierten Flussläufe in Mecklenburg-Vorpommern zu befahren. Strömung gibt es erst wieder auf der Elbe und zwar aus der richtigen Richtung bis nach Geesthacht. Nach der Geesthachter Schleuse ist die Strömung bis Brunsbüttel (und darüber hinaus) tideabhängig. Sinnvoll ist deshalb nur die Nutzung des Zeitfensters für den Ebbstrom.

Einhand rund NorddeutschlandAuch auf meinem Boot sollte die Computerunterstützung bei diesem Törn Einzug halten. Da ein Laptop mit elektronischen Seekarten für das Einhandsegeln und mein kleines Boot völlig ungeeignet ist (zu unhandlich, zu hoher Stromverbrauch, im Cockpit aus unterschiedlichen Gründen nicht bedienbar), habe ich mich für einen Handheld-PC vom Typ Compaq IPAQ 3970 mit dem Betriebssystem Windows CE 3.0 mit W-LAN-Unterstützung und GPS-Maus, der in einem wasserdichten Gehäuse an der Cockpitwand befestigt werden kann, entschieden. Damit wollte ich Wetterberichte aus dem Internet und E-mails über die angeblich in fast allen Häfen installierten Hotspots empfangen und ein automatisiertes Logbuch führen. Um es vorweg zu nehmen, es funktionierte nichts. Die Hotspots, die den Zugang zum PC-Netz der Hafenverwaltung und weiter zum Internet herstellen, waren – wenn sie denn tatsächlich vorhanden waren - entweder nicht in Betrieb oder „gestört“, der Hafenmeister war über die Regularien nicht informiert, die Passwörter lagen nicht bereit und derlei Ausreden mehr. Solche „Argumente“ hatte ich auch schon beim Test in der Baltic-Bay-Marina gehört. Während des Törns habe ich keine einzige Internetverbindung herstellen können. Auch das mir von einem österreichischen Programmierer zu Testzwecken zur Verfügung gestellte Programm zur Aufzeichnung von Logbuchdaten und Anzeigen der üblichen GPS-Daten hat sich für Segler als untauglich erwiesen. Das Programm, das ursprünglich für Drachenflieger und Paraglider entwickelt worden war, erzeugte eine wahre Datenflut für das Logbuch. Die Idee, die eigentlich dahinter steckt, ist, dass in regelmäßigen Zeitabschnitten bzw. bei bestimmten Ereignissen (z.B. Erreichen eines Wegepunktes) automatisch ein Eintrag in die Logbuchdatei mit den GPS-Daten erfolgt, die dann später in MS-Word editiert werden und um Textangaben ergänzt werden können. Bei den Fliegern herrscht anscheinend mehr „Action“ als bei den Seglern, deshalb ließ sich die Zeitspanne zwischen 2 Einträgen nur auf max. 15 s einstellen, was bei 5 Stunden Segeln 1200 Einträge und damit Unübersichtlichkeit bedeutet. Für Segler wären sicherlich Zeitspannen von 15 oder 30 min besser gewesen. Auch die grafische Darstellung der Geschwindigkeit hatte eine Spreizung von 0 – 90 kn. Da waren meine 4 - 5 kn kaum wahrnehmbar. Der Programmierer hat Nachbesserung versprochen.

Die Verpflegung für die Tagestörndauer muss gut vorbereitet werden und griffbereit vorliegen. Alles was nicht bereitgestellt wird, ist während des Törns schwer erreichbar. Langes Suchen in der Kajüte ist nicht machbar. Mein Boot hat keine elektrische Selbststeueranlage. Ein Test hat auch ergeben, dass eine solche Anlage nur bedingt für ein solch kleines Boot geeignet ist. Vor allen Dingen bei schwachen Winden und wenig Welle klappt eine solche Selbststeueranlage vergleichsweise gut. Doch diese Situation kommt selten vor. Besser ist das Festsetzen des Ruders in der von der Situation bestimmten Position. Das klappt auch bei großer Welle besonders gut bei Kursen hoch am Wind bis Wind um 6 Bft. Damit gewinnt man etwas Freiheit, um andere Dinge zu tun. Ansonsten heißt es, wenn es Dinge gibt, die wichtiger sind als das Boot zu steuern, die Segel wegzunehmen, die vordringlichen Arbeiten erledigen und die Segel wieder zu setzen. Bei festgesetztem Ruder hat man allerdings immer genügend Zeit, die vorbereitete und gut platzierte Verpflegung während des Segelns zu sich zu nehmen.

Auch die elektronische Navigation ist nur stark eingeschränkt – zumindest bei Windstärken ab 4 Bft. – möglich. Während Papier-Kartenstudium noch gut durchführbar ist, sollten sich Eingaben am GPS-Gerät nur auf den Aufruf vorbereiteter Funktionen beschränken. Komplizierte Eingaben sind kaum machbar, d. h. eine gute Vorbereitung (Wegepunkte, Routen, Alternativen) vor Beginn des Tagestörns erleichtert das Leben während des Törns.

Zu berücksichtigen waren bei diesem Törn auch 3 Brücken, die im geschlossenen Zustand mit stehendem Mast nicht passierbar sind. Das sind die Ziegelgrabenbrücke in Stralsund (Strelasund), die kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke in Wolgast (Peenestrom) und die Straßenbrücke bei Zecherin (Peenestrom). Es gibt nur wenige Öffnungen pro Tag. Deshalb sollten die Öffnungszeiten in den Törn gut eingeplant werden. Insbesondere wenn man die Brücken in Wolgast und Zecherin in einem Tagestörn passieren will, muss man berücksichtigen, dass einem für ca. 18,5 Seemeilen nur gut 3 Stunden zur Verfügung stehen. Im weiteren Verlauf gibt es nur noch die Drehbrücke bei Malchow (Elde-Müritz-Wasserstraße), die auch mit gelegtem Mast nicht passiert werden kann. Dafür wird sie auch häufiger geöffnet.

Die 37 Schleusen waren leichter zu bewältigen als man es zunächst glauben will. Wer einmal den Göta-Kanal passiert hat, wird schnell den Unterschied feststellen. Es geht hier dank einer anderen Technik weniger brodelnd und weniger stark strömend in den Schleusen zu. Das gilt sowohl für die Berg- als auch für die Talfahrt. Mit einer langen Vor- und Achterleine sowie einigen Fendern (bei mir hat sich ein großer Ballfender besonders gut bewährt) habe ich auch Einhand ohne Hilfe keine Probleme gehabt und mir ist eine Schramme erspart geblieben. Deshalb werden viele Schleusen – und zwar unabhängig vom Hub – in Selbstbedienung betrieben, obwohl die meisten Nutzer unbedarfte Charterkapitäne sind. Im Übrigen sind alle Schleusungen gebührenfrei. Der Deutsche Seglerverband zahlt dafür eine Jahrespauschale. Doch fast keine Regel ohne Ausnahme: bei der Durchfahrt an der Drehbrücke in Malchow verlangt ein Zerberus einen „Wegezoll“ von € 2,--, kassiert mit einem „Klingelbeutel“, an dem man vorbei fahren muss, ohne anzuhalten.

Die angelaufenen Häfen bzw. Marinas umfassen alle Kategorien von „ganz schlimm“ bis „ganz hervorragend“. Die allermeisten sind gut und empfehlenswert. Spitze ist die Marina Wolfsbruch mit dem angeschlossenen „Best Western“-Hotelkomplex. Badelandschaften (Halle), diverse Restaurants, tolle sanitäre Anlagen und gute Liegeplätze runden das Bild ab. Hier bekam ich endlich Zugang zum Internet, in einem Internet-Cafe der Marina. Da wurde auch die Frage nach der Tauchtiefe der Elbe beantwortet. Im Internet-Portal „Elwis“ der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bekam ich die Auskunft, dass für den für mich interessanten Streckenabschnitt der Elbe die Tauchtiefe im geplanten Zeitraum immer noch 2,30 m beträgt.

Das Aufstellen des Mastes im Hamburger City-Sporthafen wurde von mir so vorbereitet, dass ich nur die kurzzeitige Hilfe eines jungen Mannes von ca. 2-3 Minuten benötigte. Danach begann das Segel im Ebbstrom. Wer das noch nicht gemacht hat, wird erstaunt sein, dass man auch mit Aufkreuzen in relativ kurzer Zeit eine große Strecke über Grund zurücklegen kann. Mein altmodisches Sumlog zeigte nach Wedel eine Strecke von etwas mehr als 7 Seemeilen an, mein GPS für die gleiche Strecke fast 12 Seemeilen. Den Unterschied macht der Ebbstrom aus. Mein Boot wurde also mehr als 4 Meilen vom Wasser über Grund „getragen“. Problematisch wird die Strömung aber auf der Unterelbe, wenn ein relativ starker Wind (ca. 6 Bft.) gegen die Strömung steht. Das führt zu einer hohen und steilen Welle, die vor Brunsbüttel ca. 1,5 m betrug. Da hat ein kleines Boot richtig zu kämpfen, wenn es gegen die Welle geht und der Schleusenwärter mich – wie geschehen - zur Zeit der stärksten Ebbströmung im Bereitstellungsraum „verhungern“ lässt. Doch Kompliment an mein Boot: im Cockpit blieb es trocken!

Zum Schluss nach den Bemerkungen zur Durchführung des Törns zum eigentlichen Zweck der Reise: Das Erleben von überwältigenden Landschaftsbildern. Von lieblich bis ursprünglich ist alles dabei. Zwischendurch viele idyllische Ortschaften mit durchaus sehenswerten Bauten. Wer will, kann auf Teilstrecken sogar den Eindruck gewinnen, sich im Regenwald auf dem Amazonas zu bewegen. Ich habe diesen Törn zum 2. Mal gemacht. Beim 1. Törn habe ich 2 Wochen länger gebraucht und damit auch mehr gesehen. Wer also genießen will, sollte für diesen Törn mindestens 5 Wochen einplanen.

Jürgen Papendorf

 

 

Die Törn-Unterlagen

Kartenmaterial:

Sportschifffahrtskarten „Kieler Bucht“, NV Verlagsgesellschaft

Sportbootkarten „Dänemark 1“, Delius Klasing Verlag

Sportschifffahrtskarten „Rund um Rügen, Boddengewässer – Stettin“, NV Verlagsgesellschaft

Sportschifffahrtskarten Binnen Nr. 3 „Die nördliche Oder & die Peene“, NV Verlagsgesellschaft

Sportschifffahrtskarten Binnen Nr. 2 „Berlin & Mecklenburger Gewässer“, NV Verlagsgesellschaft

Sportschifffahrtskarten Binnen Nr. 4 „Die Elbe & Kanal- Verbindungen“, NV Verlagsgesellschaft

„Der Elbe-Atlas“, NV Verlagsgesellschaft

Wegepunkt der Ostsee, NV Verlagsgesellschaft

Zusätzl. Informationen: Hafenhandbuch „Sejleren’s Nr. 4“, kostenlose Ausgabe der Forlaget Thuren, Odense

„Ihr Lotse“ – umfangreiche Informationen zu Flüssen, Seen und Häfen in Mecklenburg-Vorpommern, herausgegeben vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern eV, Röbel und Rostock

Wetterberichte:
Wetterberichte für die Ostsee ist der Seewetterbericht im Deutschlandradio (DLR) auf Lang- bzw. Mittelwelle empfehlenswert, im Binnenland die lokalen Radiostationen

Wetterberichte aus dem Internet über so genannte Hotspots sind im Jahr 2005 noch ein Flop

Wetterberichte bei den Hafenmeistern besetzen die ganze Palette zwischen Top und Flop

Grenzregularien:
Grenzübertritte im EU-Europa (nach Dänemark jetzt auch Polen) sind völlig unspektakulär. Personalausweis und Bootsschein genügen. Während in Dänemark keine ständige Kontrolle erfolgt, muss man sich in Polen noch bis 2007 beim Grenzboot im Stettiner Haff (Tonne 17) und bei der Grenzabfertigung Trzebiez (Ziegenort) melden. Gastland-Flaggen nicht vergessen!

 

Das Boot

Typ Waarship 570
Name Gimi
Verein LRV
Länge 5,70 m
Breite 2,45 m
Tiefgang 1,10 m
Gewicht (mit Ausrüstung) 1,2 t
Baujahr 1983
Generalüberholung 1997
Motor Außenborder Yamaha 4 PS, Viertakter, 26 l Tank
Besegelung Roll-Reff
Genua 14 m2
Groß 10 m2
Sturmfock 4 m2
Ersatz Fock 8 m2
Groß 10 m2
Ausrüstung

u.a. Seereling, Sprayhood, Kuchenbude, Pantry mit Restoflam, Gaskocher, Kühlbox, 12-V-Elektrik mit 70Ah-Batterie, 230-Volt-Anschluß, GPS, Sumlog, Echolog, Kompass, Schwimmwesten, Lifebelts, Signalmunition, Klapp-Fahrrad