Nach ca. einem Jahr Renovierungsarbeiten war es soweit. Am 17.07.’07 soll die MOTIVA 42 B endlich zu Wasser gelassen und erstmals wieder der Mast gestellt werden. Ganz schön aufregend für uns Eigner, die so eine Aktion in ihrem Leben noch nie mitgemacht haben – wirklich.
Der Transport aus der Halle zum Hafen war eigentlich eine coole Aktion – hätte ich nicht gedacht – zumal das Schiff ohne Takelage 17,45 Tonnen wiegt. Die Jungs von der Fa. Runge haben zügig und ohne viele Worte gearbeitet – eben routiniert. Trotzdem: Respekt, Respekt!
Besonders verblüfft war ich, dass die Reifen von dem Spezialtrailer, auf dem das Schiff transportiert werden sollte, nicht einen Zentimeter nachgaben, als die Hydraulikstempel den Lagerbock – natürlich samt Schiff – anhoben.
Nun kam der nächste Akt. Der blaue Kran von Becsen kann lt. Aufschrift 20 Tonnen heben. „Das passt schon“, versicherte man mir – „aber es wird wohl drei Mal „knallen“. Wie? Drei mal knallen? Was soll denn das heißen?
„ Na ja …… die Bremsen von dem Kran halt“ – wurde mir mit bewusst beruhigender Mine gesagt. So ganz genau wusste ich immer noch nicht was da auf mich zukommt, während alle um mich herum scheinbar völlig gelassen und wie selbstverständlich die Vorbereitungen für das Kranen vorbereiteten.
Zwei der wichtigsten Accessoirs sind dabei die Gurte, in denen das Schiff später hängen wird – sehen aus wie B-Schläuche der Feuerwehr.
Alles schien gut. Der Kranfahrer würdigte noch einmal die Vorarbeiten seiner Kollegen mit verschiedenen knurrenden Lauten, die mit Grimassen um seine Mundwinkel herum untermalt wurden. Er schritt zur Tat – ja, eigentlich betätigte er nur einen Knopf……. und die Gurte fingen an sich langsam zu spannen.
Alle waren cool drauf…. oder doch nicht? Bis eben wurde noch viel geredet – momentan redet gar keiner. Alle starrten auf das Schiff. Hatte ich etwas verpasst?
Und dann kam sie – ohne Ankündigung – eine bis ins Knochenmark fahrende Geräuschkulisse. Der erste Knall von den Bremsen des Krans. Wenn man dieses Geräusch nicht kennt….. vergesst alles, ich weiß nicht wann ich wieder angefangen habe zu atmen. Dieses nachhallende Geräusch kam tatsächlich noch zwei Mal. Dann hing die Capt’ n Bligh wirklich in der Luft.
Nach restlichen Malerarbeiten am Unterwasserschiff wurde die Yacht endlich ihrem Element übergeben. Alle waren dabei sehr vorsichtig. Ein letzter Check, ob auch nirgendwo Wasser eindringt. Alles paletti, die Gurte konnten entfernt werden.
Der Motor lief – schönes Geräusch – kraftvoll, aber nicht aufdringlich. Die Bugstrahlruder funktionierten auch – wie beruhigend!
Oh man, jetzt soll der 14m lange Mast gesetzt werden. Dafür muss das Schiff, das längsseits mit der Steuerbordseite an der Pier lag, einmal um 180° gedreht werden – selbstverständlich unter eigenem Antrieb. Jetzt sollte der Eigner in Aktion treten. Wo war dieser? Ach ja, das bin ja ich selbst.
Die Legitimation hätte ich dazu.
Hähä, meine praktische SBS-Prüfung war vor eineinhalb Jahren mit der „Gummisau“, einem Schlauchboot von 4m Länge und 1,80 Breite. Diese Yacht hat mit allen Überhängen knapp 14m Länge und 3,65m Breite – hmmm.
Während ich noch so dachte – das geht gar nicht – nicht jetzt, wurde dieses Manöver auch schon von Jens Holtschneider eingeleitet.
Das Mastsetzen war dann doch nicht ganz so spektakulär wie gedacht. Es waren zu diesem Zeitpunkt so viele liebe Hände vor Ort, dass ich alles in „Ruhe“ filmen konnte. Einsatzbereit war die Capt’ n Bligh noch nicht ganz, deshalb wurde sie an den Ausrüstungskai gebracht aber es war wirklich ein erhebendes Gefühl die Yacht in ihrem neuen Glanz schwimmen zu sehen.
Petrus hatte an diesem Tag wirklich Erbarmen mit uns. Die ganze Aktion fand bei schönstem Sommerwetter statt.
Die 1. Ausfahrt
Der 03.08.’07 war ausgemacht. Die erste Probefahrt. Alles einmal ausprobieren, bevor wir auf „Große Fahrt“ gehen – sowohl unter Maschine als auch unter Vollzeug.
Im Vorwege hatte ich schon zu Jens gesagt, dass er, außer Kommandos geben, nichts machen darf. Irgendwann ist Alles das erste Mal. Jeden Handgriff, so weit es eben geht, wollte ich selbst machen.
Nun war es soweit. Das Wetter spielte auch mit. Sonnenschein mit leichter Bewölkung. Wind kam mit 4 Bft. aus NO – in Böen bis 5 Bft. - Kaiserwetter. Wir waren zu sechst an Bord: Christiane, die Eignerin, unsere Tochter Isabella und Ihre Freundin Johanna, Jens, unser Coach, Johannes, der maßgeblich an den Renovierungen der Yacht beteiligt war, und ich selbst als Skipper. Es gab eine kurze Manöverbesprechung zwischen Jens und mir, da situationsbedingt gleich das erste Ablegemanöver nicht gerade das einfachste war. Die Capt’ n Bligh lag längsseits mit der Steuerbordseite am Ausrüstungskai. Mit jeweils geschätzten 4m Abstand zu den Schiffen hinter und vor uns mussten wir uns über die Vorspring achterausdampfen.
Jens gab den übrigen Crewmitgliedern einzelne Aufgaben, damit sich keiner überflüssig vorkam – sehr gut. Jetzt konnte der Motor gestartet werden. Danach kontrollierte ich die Bugstrahlruder auf Ihre Funktionalität. Schiff und ich selbst waren einsatzklar. Ich stand am Außensteuerstand und fragte noch mal laut und deutlich ob jemand noch Fragen hat – ich hatte immerhin, außer Jens, auch nur Laien an Bord, wie ich selbst. Leinen konnten los – bis auf die Vorspring, die wir vorsorglich auf Slip gelegt hatten. Ruder hart Steuerbord und kurzes Gasspiel im Vorwärtsgang, damit das massive Heck von der Pier loskam. Mit dem Bugstrahlruder habe ich dann den Steven ein wenig nach Backbord gedrückt. Gleichzeitig wurde die Spring eingeholt. So konnte ich, mit Ruder halb Backbord und kurzem Zurückziehen des Schiffes, die Parkposition verlassen. Noch mal ein bisschen das Bugstrahlruder bemüht und wir konnten geradewegs aus dem Hafen.
Zugegeben, ohne die meisterlichen Anweisungen von Jens hätte ich mich an den Brocken nicht herangetraut und….. der Nord-Ost hat mir zusätzlich geholfen. Trotzdem waren wir alle erst mal Stolz diese Situation gemeistert zu haben und tasteten uns vorbei an der „Berlin“ zur Hafenausfahrt. Wo wollten wir gleich hin? Ach ja, nach Strande zur Bunkerstation. Wie viel Diesel wollen wir übernehmen? Der Tank fast 400l. 20l hatten wir am Vortag über einen Reservekanister in den Tank geschüttet, damit wir nicht noch versehentlich bis Strande hätten „paddeln“ dürfen. Was verbraucht der Motor? Keine Ahnung. Na gut, klären wir später. Bei 1200 Umdrehungen rauschten wir mit 7,5kn quer durch die Fahrrinne – nicht schlecht. Jens und ich nickten uns gegenseitig zufrieden an.
Man, was für ein Feeling! Es war nicht viel los auf der Förde, so dass ich mal komplett entspannt den Fahrtwind genießen konnte – Glückshormone sprudelten nur so, meine Familienmitglieder strahlten auch. Auf genau diesen Moment hatten alle Beteiligten lange gewartet und in mitten diesem beseligten Dahingleiten meldete sich ausgerechnet unser Coach. Aus dem Hintergrund drang an mein rechtes Ohr (Jens saß auf der Backskiste auf dem Achterdeck): “Vor Schilksee aufstoppen. Manöver fahren auf freier Wasserfläche.“
Na gut, wenn er meint. War doch eben alles klar gegangen. Also was soll das Theater – man gut, dass wir dann noch so verschiedene Manöver geübt haben, denn das kommende Anlegemanöver hatte es wirklich in sich. Backbord längsseits an der Tanke anlegen. Backbord ist nicht die Schokoladenseite von der Capt’ n Bligh. Warum? Weil das Schiff eine linksdrehende Schraube hat. Na gut, was soll’s. Also hinein in die Hafeneinfahrt von Strande. Schön langsam. Hmmm, bisschen eng hier, und wir kurven auch nicht allein im Hafenbecken. Kuscheln mit den anderen Schiffen wollte ich auch nicht. Nicht das uns etwas passiert wäre – bei 7,5mm Stahlrumpfstärke….. aber ich hatte ein bisschen Angst um die Joghurtschüsseln. So, vorwärts, möglichst im spitzen Winkel auf das vordere Ende der Pier zu – aufstoppen – Ruder hart Backbord und rückwärts und wieder aufstoppen. Ganz langsam. Bugstrahlruder zur Unterstützung, damit der Steven nicht nach Steuerbord ausschert. Ruder hart Steuerbord, kurz Vorwärts und aufstoppen. Noch mal Ruder hart Backbord, Kurz rückwärts und noch mal das Bugstrahlruder. Geschafft, die Festmacher können dem Tankwart übergeben werden. Mann oh Mann, das war heavy. Trotzdem ging auch dieses Hafenmanöver glücklich zu Ende. Während die Capt’ n Bligh 200l Diesel übernahm und ich mit dem Tankwart über den Literpreis (1,34€ pro Liter) diskutierte, kaufte Christiane erst mal eine Flasche tiefgekühlten Sekt. Erst jetzt bemerkte ich meinen trockenen Gaumen. Christiane bemerkte, dass die Tanke leider keine frischen Erdbeeren im Angebot hatten – war nicht wirklich ernst gemeint – aber sie isst diese Früchte nun mal wahnsinnig gerne zu Sekt.
Weiter geht’s. Die Nächsten warten schon. Wollen auch tanken. Das Ablegen war nicht mehr so spektakulär. Kurz nach der Hafenausfahrt drehte ich das Schiff in den Wind und übergab Jens das Ruder. Jetzt wollten wir segeln. Johannes und ich setzten mit vereinten Kräften das Groß. Motor aus. Dann ließen wir die Genua herausrauschen. Endlich Ruhe!
Kurs: Kiel Oslokai. Schöner Raumschotkurs. Der Wind, leicht böig, hatte nicht nachgelassen. Nach kurzem Segeltrimm übernahm ich wieder das Ruder. Nette Rauschefahrt. Das Log wies im Mittel 7,5 Knoten aus. Wir konnten das kaum glauben. In der Spitze wurden sogar kurzfristig Werte um 8 Knoten angezeigt. Jens, Johannes und ich dachten, wir träumen. Wir starten förmlich die Logge an. Wie kann ein Schiff mit diesem Gewicht so schnell sein? Unglaublich. Wir waren uns sicher, dass es nicht langsam sein wird, weil es einen verhältnismäßig schmalen Rumpf hat, aber dieses Potenzial hatte keiner von uns erwartet. Probleme gab es eigentlich keine aber Verbesserungsvorschläge für Details, die ergänzt oder verändert werden sollten. Jeder sollte zu Papier bringen, was möglicherweise der Korrektur bedarf. Später, im Hafen haben wir uns dann zusammengesetzt und sind die Details durchgegangen. Einige Kleinigkeiten konnte ich noch am kommenden Morgen in der Baltic Bay* besorgen, bevor wir zu unserem ersten Törn nach Marstal aufbrachen.
Capt’ n Bligh
Die erste kleine Reise nach Marstal
04.08.’07 - 07:00 MESZ
Wir hatten unsere erste Nacht auf der Yacht verbracht. Alle hatten wohl super geschlafen, nicht zuletzt durch die letzten stressigen Wochen die hinter jedem Einzelnen gelegen hatten (Abi, Organisation der Abifeier, Wohnungssuche in Salzburg, Einrichtung der Selben usw. usw.).
Die Mädels hatten die Kojen im Bugbereich auserkoren, die sich übereinander auf der Backbordseite befinden. In die Untere zu schlüpfen ist ziemlich einfach. Wie Johanna in die obere Koje gekommen ist – und wieder hinaus – habe ich lieber nicht nachgefragt. Das muss eher ein akrobatischer Akt gewesen sein. Deshalb stand auch auf der Liste der Verbesserungen „Handgriffe“ – daraufhin habe ich mir später den, durch eine Tür abschließbaren Raum, noch einmal näher angesehen.
Hmmm …., wo sollten hier Handgriffe angebracht werden? Die Befestigungen müssen was aushalten können….. Tür zu. Winterarbeit.
Johannes schlief im Salon. Von der Liegefläche war er sicherlich begünstigt gegenüber den Mädels. Die beiden Füße der Tischplatte sind durch ein Stecksystem einfach zu entfernen. Die Tischplatte dient zusätzlich als Liegefläche, so dass die Lücke des U-förmigen Sofas gefüllt wird. Die Geräuschkulisse des Kühlschrankes hat ihn etwas genervt. Na gut, lässt sich nicht ändern.
Christiane und ich behielten uns selbstverständlich die Eignerkabine vor. Ein Raum mit einem trapezförmigen Doppelbett – die Größe einer Spielwiese – kombiniert mit einer Multimediaanlage, ist das Herzstück und füllt die Kabine unterhalb des Achterdecks zu 80% aus. Wer diesen Raum schon mal gesehen hat, ……..
Zu um 09:00 hatten wir uns mit den anderen bei „Brit“ zum Frühstück verabredet. Die anderen das waren Angela, Torben und Rolf (Besatzung der Lille Drøm) sowie Dirk und ???? - kannten wir noch nicht (Besatzung der Alveola).
Also erst mal in den Waschraum tapern und duschen. Ganz schöner Weg vom Gewerbehafen – wir liegen vor „Harris Fischküche“ – aber dieser Liegeplatz hat auch eine Menge Vorteile – wenn man diese als Solche erkennt und mag.
Die Sanitären Anlagen haben auch schon bessere Zeiten erlebt – aber das nur am Rande.
Irgendwie hatte ich nach der morgendlichen Reinigungsaktion noch Zeit bis zum Frühstück und wanderte zur Baltic Bay, um Tauwerk für die beiden Reffs zu kaufen. Während ich mit der netten Dame, die mich bediente, flirtete, kam Dirk relativ forschen Schrittes in den Shop. Obwohl ich ihn begrüßte, ging er, ohne mich wahr zu nehmen, schon die Auslagen der Regale im Visier, seines Weges.
Komisch dachte ich. Welches Problem hat der denn? Rendezvous verpasst? Hat sich geärgert? Nicht ausgeschlafen? Wat weiß ich, ist ja auch egal!
Während ich gemeinsam mit der Dame zur Kasse ging, rauschte Dirk an mir vorbei und legte ein Paddel auf den Tresen, ein Paddel mit sehr langem Stiel.
Während der Kassierer den Scanner bemühte, registrierte Dirk mich. Er schien aufzuwachen. Er grinste mich nur an.
„Alles klar?“ fragte ich ihn.
Jetzt meldete sich der Kassierer, in dem er Dirk aufforderte 40,--€ zu bezahlen.
„Was? 40,--€ für ein Paddel?“ fragte ich und schaute mir dieses seefahrtstechnische Utensil etwas näher an, in dem ich es auch in die Hände nahm.
„Ist aus Carbon“ versicherte mir der Verkäufer bedeutsam.
Ich drehte mein Gesicht zu Dirk – ich kam nicht zu meiner nächsten Frage.
Dirk erklärte mir stolz und mit einem Grinsen, dass ich mich nicht so anstellen solle. Schließlich wäre das Teil so etwas wie vergoldet und so etwas hat schließlich seinen Preis.
Ich war schlicht und ergreifend platt – was für eine Logik.
Nachdem ich meine auf Maß geschneiderten Reffleinen mit 15,--€ bezahlt hatte, verließen Dirk und ich gemeinsam das Haus.
Nun war es doch Dirk, der mir auf dem Wege erklärte, dass er gestern Abend ein wenig Pech gehabt hat. Kurz: der Wind flaute komplett ab, der Sprit vom Außenborder reichte nicht aus um den Heimathafen zu erreichen,
also sollte jetzt gepaddelt werden – da war aber kein Paddel…. nur ein Schrubber. Dieser wurde als Paddel zweckentfremdet.
„Wer hat denn gesteuert, wenn du geschrubbt … äh, gepaddelt hast?“, fragte ich ihn. (zugegebener weise nicht ganz ohne Schadenfreude)
„Ich“, sagte Dirk stolz
„Wie hast du denn das koordiniert?“, fragte ich ihn argwöhnisch.
„Geheimnis“, so Dirk.
Was soll’s. Ist auch egal. Irgendwie hatte er es wohl geschafft.
Wir saßen mit acht Leuten zum Frühstück bei „Brit“. Dirk war noch nicht da. Irgendwie konnte ich meine Gosche nicht halten und erzählte allen von meinem morgendlichen Erlebnis. Es trug auch zur allgemeinen Erheiterung bei.
Au weh, armer Dirk. Wenn du zum Frühstück kommst, wirst du dir noch das Eine oder Andere anhören dürfen. Wo bleibt der Kerl überhaupt?
Na endlich. Vollzählig. Machte aber immer noch keinen glücklicheren Eindruck. Dirk sah mich und sah wohl auch meine Frage in meinem Gesicht.
„Zu lang. Passt nirgendwo an Bord“. Jetzt tat er mir doch leid und ich machte ihn darauf aufmerksam, dass es für weit weniger Geld auch Paddel mit Teleskopstielen aus Alu gibt und er sein frisch erworbenes „Goldpaddel“ zurückgeben sollte.
Was ich wirklich toll fand, war, dass Dirk Humor besaß und letztendlich mit uns allen über diese Anekdote lachen konnte.
Endlich konnten wir in Ruhe zu Ende frühstücken und uns geistig auf die bevorstehende Reise konzentrieren.
Die Sonne schien prächtig, nur der Wind ließ zu wünschen übrig – SSW 1 bis 2 Bft.
Keine idealen Voraussetzungen, um Marstal anzulaufen, aber wir hatten Kai und Tine versprochen sie abends dort zu treffen, die auf dem Rückweg ihres zweiwöchigen Segeltörns mit ihrer Tabaluga waren. Außerdem wollten wir zum Folkfestival von Marstal, das, wie sich später herausstellte erst eine Woche später stattfand.
Nachdem ich uns beim Hafenmeister ausklariert hatte und wir die Capt’ n Bligh zum Auslaufen vorbereiteten, stellten wir fest, dass Lille Drøm schon längst unterwegs war. Als wir aus der Hafeneinfahrt kamen, waren die drei schon auf halben Weg zum Leuchtturm Kiel. Jetzt hieß es Fingerspitzengefühl entwickeln und die Segel wirklich gut trimmen. Bei viel Wind kann jeder segeln.
Und tatsächlich. Pö a pö holte die Capt’ n Bligh auf.
Dann ein Anruf von Rolf: “Wir sollen nicht so angeben und den Motor ausmachen“. Ich gab ihm völlig gelassen zur Antwort, dass er endlich seinen Anker einholen, oder den Autoreifen vom Kiel entfernen solle.
Wo blieb die Alveola? Das dritte Schiff im Bunde fehlte. Ich telefonierte mit Dirk. Irgendwie hatte er gestern Abend niemand überzeugen können mit ihm nach Marstal zu segeln…. Und alleine hatte er keine Lust 10 Std. über das Wasser zu eiern und vielleicht noch den Rest paddeln zu müssen. Haha
Ich machte ihm den Vorschlag unter Motor zu uns aufzuschließen und wenn gar nichts mehr geht, ihn in Schlepp zu nehmen.
Kein wirkliches Interesse, bedankte sich aber und wünschte uns gute Fahrt.
Mittlerweile entfernte sich die Capt’ n Bligh von Lille Drøm zusehends, so dass Rolf seine „Geheimwaffe“ aus dem Segelkeller holte – ein rot-gelb gestreifter Blister. Da Rolf und Angela ihr Schiff auch neu haben, klappen noch nicht alle Manöver so perfekt – aber mit dem dritten Anlauf stand das Tuch wie eine Eins. War ein toller Anblick, wie die Lille Drøm im Sucher der Kamera immer näher kam.
Sie kam nicht nur näher; wir wurden auch noch überholt…… schniefff
Wo war unsere Geheimwaffe? Vielleicht einen 120-140m² großen Spinnaker? Wir haben keinen, also mussten wir uns geschlagen geben – aber nicht für sehr lange. Der Wind ließ fast gänzlich nach, so dass wir uns entschieden die „Eiserne Genua“ zu starten. Wir wollten noch mit Tageslicht in Marstal einlaufen.
Jetzt konnte die Capt’ n Bligh mal zeigen, was in ihr steckt – im wahrsten Sinn des Wortes. Nachdem ich die Maschine bei 1000 Umdrehungen warm gefahren hatte, wollte ich wissen, was überhaupt möglich ist. Der Hebel war noch nicht auf dem Brett, aber die Logge zeigte schon über 10 Knoten an. Mein Gott. Es rauchte ganz schön hinten heraus und das Lenken, bedingt durch das Schraubenwasser, war unangenehm. Also Marschgeschwindigkeit (7-8Kn). Rolf winkte uns nur noch traurig hinterher. Freute sich aber später, dass er, ohne nach einem Liegeplatz suchen zu müssen, bei uns längsseits gehen konnte.
Rolf wunderte sich nur, dass wir erst kurz vor ihm festgemacht hatten – im Gewerbehafen, quasi neben dem Trockendock (sehr romantisch).
Ich bin auf Geheiß von Jens hinten durch zum Yachthafen gefahren. Was für ein Gewusel. Den anderen war ich zu langsam, so dass ich beidseitig überholt wurde – es ging schließlich um die letzten Liegeplätze. Dazwischen fuhren noch Kinder mit diversen Schlauchbooten. Ich ging noch mehr vom Gas. Das war mir zu heikel. Ich war nur froh, dass meine Crew die Szenerie nicht kommentierte.
Kein Liegeplatz mehr für ein Schiff in dieser Größenordnung. Also an geeignetem Ort die Yacht einmal auf der Stelle um 180° drehen und wieder zurück.
Wir gingen Steuerbord längsseits an einen Klassiker. Kaum waren wir bei ihm an Deck, um die Leinen für das Päckchenliegen zu klarieren, kam der Eigner landwärts um die Kurve und schrie:“ Nicht das Schanzkleid betreten. Ist alles frisch lackiert.“
Aufregung bis zum Schluss. Dann kam etwas Ruhe in das Leben – der Eigner war auch Laboer.
Nächstes Problem. Landanschluss. War weit weg – aber mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, die wir auf beiden Schiffen fanden, konnten wir tatsächlich den Landanschluss für beide Schiffe legen.
Endlich Landgang. Alle hatten Appetit auf eine warme Mahlzeit – aber wohin? Wir bekamen einen Tipp. Das Restaurant hieß übersetzt “Alter Weingarten“. Gehört einer Hamburgerin, die einen Dänen geheiratet hat.
Mittlerweile war es 19:00 Uhr. Hoffentlich finden wir Platz für 9 Personen. War kein Problem. Alle rückten zusammen. Dann ging es.
Ein langer Abend wurde es nicht. Alle waren müde – zu viel Sauerstoff.
Ach ja, wo waren denn Kai und Tine?
In der Zwischenzeit – noch auf See – hatte Rolf telefonischen Kontakt zu den beiden. Die hatten uns den Vorabend in Marstal erwartet, und da das Folkfestival erst kommendes Wochenende stattfand, waren sie weiter nach Maasholm gesegelt.
Diese Informationen erreichten uns allerdings etwas zu spät. Schade, sonst wären wir auch nach Maasholm gesegelt. Der Kurs wäre ideal gewesen und der Törn zeitlich nicht so lang.
Sonntag, der 05.08.’07
Strahlender Sonnenschein. Nördliche Winde. Lille Drøm läuft um ca. 10:00 aus. Wir etwa eine halbe Stunde nach ihr – und ward den ganzen Tag über nicht mehr gesehen.
Jens befiehlt den Kurs unter Motor. Wir fahren auf das offene Meer. Ohne Nachzudenken mache ich was der Coach sagt. Irgendwann dreht er immer wieder seinen Kopf nach allen Seiten – Land kann man im Dunst noch sehen – und befiehlt neuen Kurs und Segel setzen. OK, 210°, direkte Ansteuerung von Kiel LT.
Kann sein, ich sehe nur Wasser. Peilen und navigieren mit der Karte. Damit hatte ich mich noch gar nicht weiter auseinandergesetzt.
Wir segeln „Am Wind“ mit einem Schrick in der Schot. War eine leichte Brise. Ab jetzt keine besonderen Vorkommnisse. Ich übergebe Christiane das Ruder und lass mich auf dem Achterdeck von der Sonne braten.
Nach fünf Stunden laufen wir in Laboe ein. Wir waren alle zufrieden. Ein gelungenes Wochenende.
Eine dreiviertel Stunde später klingelt mein Telefon. Rolf. Ihn und seine Crew hatte ich glatt vergessen. „Wir haben gerade festgemacht – und dabei festgestellt, dass ihr schon da seid!“.
Grübel, grübel. Wann sind wir denn an denen vorbei gesegelt? Die sind doch eine halbe Stunde vor uns los?
Rolf war nach passieren der Ansteuerung von Marstal auf einen hohen Am-Wind-Kurs gegangen und so noch weiter als wir nach Osten herausgefahren, um später wenn der angekündigte Rechtsdreher kommt nicht Kreuzen zu müssen. Nur hat ihm der Wind einen Strich durch die Rechnung gemacht. Statt – wie angekündigt rechts zu drehen drehte er rück! Während wir dadurch einen angenehmen Raumschotkurs bekamen, lag die Lille Drøm platt vor dem Laken und parkte ein. Dumm gelaufen….
Achim Laasch