The Police World Sailing Championships (Offshore)
Im Jahr 1989, während der Commonwealth Meisterschaften im Hochseesegeln, hatten der Vice-Commodore des Royal-Southampton-Yacht-Club, Mr. Clive Basche und der Chief- Constable der Hampshire Constabulary, Mr.John C. Hoddinot, die Idee, eine Polizei - Weltmeisterschaft im Hochseesegeln auszurichten und durchzuführen. Mit der Organisation wurde der Inspektor Rogan Olding vom Hampshire Police Sailing Club beauftragt. Teilnahmeberechtigt sollten nur Polizeibeamte sein.
Die Ausschreibungen wurden weltweit versandt und es meldeten sich Crews aus Dänemark, England, Schottland, Wales, Australien, Neuseeland, Hongkong, Niederlande, Südafrika, Schweden, Österreich und Deutschland. Die Meisterschaften sollten im gleichen Revier wie der Admirals Cup stattfinden, also im Solent, dem Ärmelkanal und der Irischen See. Jede Nation konnte bis zu drei Mannschaften melden, die als Team segeln, aber auch in Einzelwertung gegeneinander antreten sollten. Der Termin wurde auf 1991 festgelegt und so wurde das Jahr 1990 für Qualifikationen, Mannschaftszusammenstellung und Trainingsregatten genutzt. Am Ende hatten sich drei Crews qualifiziert. Team Germany C setzte sich ausschließlich aus BGS-Beamten (Hubschrauberstaffel und BGS-See) zusammen, Team B aus Schutz- u. Kriminalpolizei aus den Bundesländern und Team A aus Beamten der Wasserschutzpolizeien der Länder und einem Polizeiarzt (was sich später noch als Glücksfall herausstellen sollte). Skipper des Teams Germany A war ich und so hatte ich auch die teilweise undankbare Aufgabe, die organisatorische Vorbereitung zu koordinieren und durchzuführen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern war es unserem Dienstherrn, dem Innenminister, nicht möglich, mehr als drei Tage Sonderurlaub zu genehmigen und so setzten wir unseren Jahresurlaub daran. Das gleiche Problem war die Suche nach Sponsoren. Letztendlich wurde uns ein Kleinbus durch ein größeres Reiseunternehmen zur Verfügung gestellt, hochseetaugliches Ölzeug durch einen renomierten Ausrüster, und da wir neben der Uniform auch noch einen zivilen Gesellschaftsanzug brauchten, konnten wir ein Bekleidungsunternehmen aus Schleswig-Holstein überreden, uns gesellschaftsfähig einzukleiden. Ganz zum Schluss hat uns noch eine große Brauerei aus dem Norden mit ausreichend „Dünnem Öl" versorgt. Alles weitere mussten wir aus eigener Tasche zahlen (Verpflegung, Brennstoff, Fährkosten, usw.).
Der Beginn der Wettfahrten wurde auf den Juni 1991 festgelegt. Wir (Team A) trafen uns am S.Juni in Kiel, beluden das Auto bis zur Grenze der Zuladung und los ging es über Holland, Belgien nach Calais in Frankreich, wo wir die Fähre nach Dover gebucht hatten. Die Überfahrt über den Kanal gab uns schon eine Kostprobe auf das Wetter in den nächsten Tagen. Es wehte teilweise mit 9 Bft. aus westlichen Richtungen. Von Dover aus ging es dann über die Küstenstrasse über Brighton , Portsmouth, Southampton nach Netley, wo wir die ersten Tage im „Netley Training and Support-Headquarter" der englischen Polizei untergebracht werden sollten. Die Fahrt dorthin war schon die erste angelsächsische Herausforderung. Die Gewöhnung an den Linksverkehr, insbesondere im Kreisverkehr, war schon die Härte. Es ging jedoch alles gut und wir bezogen unsere kleinen Gästehäuser auf dem riesigen Areal. Nach und nach trudelten auch die anderen Mannschaften ein und wir alle sorgten für eine Umsatzsteigerung in der Messe.
Am nächsten Morgen ( 7.6.) fuhren wir zur Hamble- Point Marina am Hamble River und übernahmen nach der Auslosung unsere Schiffe (Westerly 32 ). Wir losten die Westerly Lullaby mit der Segelnummer K 1826 T. Trotz des etwas schläfrigen Namens ( Lullaby = Wiegenlied) ein sehr gutes Schiff, das ganz besonders an der Kreuz hervorragend lief. Dann begannen wir mit der Ausrüstung usw., denn wir würden nach dem 8. Juni jeden Abend in einem anderen Hafen sein. Alles musste an Bord, von der Uniform bis zum „Dünnen Öl". Dann war noch etwas Zeit, um einige Training - und Trimmschläge auf den Southhampton Waters zu unternehmen. Anschließend war dann noch ein kurzes Skippers briefing, wo ich dann auch die anderen Skipper kennen lernte.
Am Abend folgten wir einer Einladung der Royal Air Force zu einem original indischem Curry-Essen im Offiziersheim der RAF in Netley. Da es eine offizielle Einladung war, wurde jedem Tisch eine „Anstandsdame" zugeteilt, vielleicht um über den korrekten Ton zu wachen. Wir bekamen an den Tisch eine etwas ältere, leicht vertrocknete, aber mit sehr viel englischem Humor versehene Dame: Lady Victoria Hetherrington. Später habe ich dann erfahren, dass man sie mit Bedacht an unseren Tisch gesetzt wurde, da irgendjemand erfahren hatte, dass ich Träger der „Royal Victorian Medal" bin, die mir 1978 im Namen von Königin Elisabeth II. verliehen worden war. Der Abend war jedoch in jeder Hinsicht ein Gewinn, da ich durch einige Piloten der RAF wichtige navigatorische Hinweise auf die Strömungsverhältnisse im Kanal und im Solent erhielt.
Am nächsten Tag ging es dann richtig los. Die Begleitboote der Royal Navy und des Royal Southampton Yacht Club erschienen und die Startlinie wurde vor der Mündung des Hamble Rivers ausgelegt.
Aus dem Programm: Saturday, 8th June 1991
Racing as directed.
„Racing as directed“ bedeutete in diesem Fall, dass nach dem Start erst einmal mehrere Bahnmarken rund um die Bramble Bank, die genau in der Mitte im Solent zwischen der Ansteuerung nach Southampton und Cowes liegt, abzusegeln waren. Die Bahn war so gelegt, dass alle Kurse zum Wind gesegelt werden konnten. Der Wind wehte aus westlichen Richtungen mit 4-5 Bft. Und nach zweimaligem runden der Bramble Bank ging es dann auf einen guten Spi-Kurs Richtung Bembridge im Nordosten der Isle of Wight. Das Ziel in der Hafeneinfahrt erreichten wir als 5. Boot von 17 Startern. Es lief also gut an.
Am nächsten Morgen, dem 9.Juni, wurden wir bereits gegen 0400 Uhr aus dem Schlaf gerissen. Petrus hatte wohl etwas besonderes mit uns vor. Der Wind pfiff im Rigg und unser Lullaby ruckte wild an der Mooring. Ein etwas ungutes Gefühl beschlich uns, denn an diesem Tag sollte der erste lange Törn gesegelt werden. Einmal um die Isle of Wight nach Southampton .
Sunday, 9th June 1991
Racing as directed.
Start vor dem Hafen Bembridge . Die erste Bahnmarke war der „Nab Tower", ein ehemaliger Flakturm ca. 12 Seemeilen östlich der Isle of Wight. Der Wind war immer noch West, wehte aber schon mit 6 - 7 Bft. Da wir uns aber noch in Lee der Insel befanden, war es am Anfang noch möglich, gute Fahrt unter Spi zu machen. Auch die achterliche See war noch recht handig. Nachdem wir aber so langsam aus dem Leebereich heraus waren, ging das Geigen los. Den Spi haben wir aber bis zum Nab Tower stehen gelassen, es war wirklich hart an der Grenze. Nach dem Runden ging es dann auf Bb.- Bug mit südöstlichem Kurs in Richtung offenem Kanal. Hier machten sich dann schon einmal die Tipps der Navy Piloten bezüglich der speziellen Strömungen bezahlt. Während fast alle Boote einen grossen Abstand zur Küste fuhren, entschloss ich mich, dicht unter der Küste zu bleiben. Ich wollte durch die Shoals unterhalb von St. Catherines Point segeln. Dort befindet sich eine ca. 38 Meter tiefe Rinne, in der bei westlichen Gezeitenströmungen ein zusätzlicher Strom in SW geht.
Da der Wind zunahm und auf Südwest drehte, konnten wir nach der Rundung von St. Catherines Point mit fast halbem Wind auf Stb. Bug die Ansteuerungstonne vor den Needles anliegen. Die See war zwar unangenehm, da der Strom fast gegen den Wind lief, aber die See wurde länger und es blieb einigermaßen handig. Als zweites Boot rundeten wir die Tonne Needles. Erstes Boot waren die Waliser, die hatten wohl auch einen Freund bei den Fliegern. Der Abstand zu uns betrug nur ungefähr 1 Seemeile. Die anderen Boote kamen aus der Mitte des Kanals mit gut halben Wind auf die Tonne zu, waren aber erst eben in der Kimm zu sehen. Das Committee Vessel des RSYC trieb in der Nähe der Tonne und ging in der See fürchterlich zu Kehr. Die Christchurch Bay blieb an Bb. und mit auflaufendem Wasser ging es mit einem Affenzahn durch den Solent Richtung Southampton Waters.
Die Wales A, immer noch vor uns, ging dann gefährlich dicht unter das Calshot- Castle, halste und ging dann Richtung Ziel vor Southampton. Das Manöver war mir allerdings zu heikel, denn unterhalb des Castles beträgt die Wassertiefe nur noch 0.4 Meter und das Wasser fing erst an, aufzulaufen. Die Brüder nutzten hier ihren Heimvorteil und gingen so auch als erstes Schiff über die Ziellinie. Eine halbe Meile dahinter kamen wir als zweites Boot an. Nach und nach kamen die anderen, als letztes mal wieder Germany C mit unseren BGS ' lern. Vergnügt wie immer und mit einem lauten Trompetensignal wurde die Ziellinie überquert. Abend erfolgte dann eine Einladung in den Royal Southampton Yacht Club durch den Principal Race Officer, Mr. Clive Basche, der gleichzeitig Vice-Commodore dieses Club war. Der Abend begann erst ziemlich steif und english style, wurde aber zunehmend lockerer und feuchter und nach einem abschließenden Toast auf die Königin gingen wir dann an Bord, um noch einige Stunden Schlaf zu bekommen, denn der Wetterbericht für den nächsten Tag versprach nichts Gutes. Es wurde eine unruhige Restnacht. Der Wind wurde schon stärker und pfiff ordentlich im Rigg, die Fallen klapperten und die Leinen knurrten. Also das Übliche.
Monday, 10th June 1991
Racing as directed.
Der Start am nächsten Morgen erfolgte dann vor Southampton und als Ziellinie war die Einfahrt in die Poole Bay angesagt. Da der direkte Kurs nach Poole Harbour natürlich zu simpel gewesen wäre, sollte zuerst eine Position mitten im Ärmelkanal (002 Grad West und 50 Grad Nord) angesteuert werden. Hier lag ein Fahrzeug der Royal Navy. Da der Wind jedoch auf Sturmstärke zunahm, wurde dann auf 50 Grad 25 Minuten Nordbreite eine Bahnverkürzung vorgenommen und direkter Kurs auf die Poole Bay genommen. Die See ging zeitweilig so hoch, dass die Mastspitze des neben und laufenden Bootes manchmal im Wellental nicht mehr zu sehen war.
Es wurde ein reiner Teufelsritt. Einige Boote gaben vorher auf und meldeten sich über UKW ab und liefen einen Nothafen an. Da der Sturm etwas rechtdrehend war, entschloss ich mich, weiter Richtung Poole zu laufen. Ich hoffte, unter Anwil Point etwas Landschutz zu bekommen und dann weiter Richtung Poole Harbour laufen zu können. Tatsächlich wurde es dann etwas handiger und wir konnten etwas Luft holen.
Etwas Steuerbord achteraus segelte in Sichtweite das Team Dänemark A. Plötzlich konnten wir beobachten, dass eine besonders hohe von achtern auflief und das dänische Boot eine Gewalthalse hinlegte. Kurze Zeit später wurden wir von dem Boot über Funk gerufen und uns wurde mitgeteilt, dass ein Crewmitglied den Baum gegen den Kopf bekommen hatte und förmlich skalpiert wurde. Die Dänen wussten, dass wir einen Arzt in der Crew hatten (der am Anfang beschriebene Glücksfall) und baten um Hilfe.Es wurde vereinbart, dass Dänemark A auf Nordkurs geht und ich mit gut halbem Wind von Achtern auflaufen wollte. Als ich auf gleicher Höhe war, habe ich etwas angeluvt, Pit (der Medizinmann) sprang mit seiner Tasche um den Hals rüber und kam auch gut an. Da seit dem Unfall noch nicht einmal eine halbe Stunde vergangen war, konnte Pit unserem dänischen Freund die Kopfschwarte mit einer anständigen Bootsmannsnaht wieder in Form bringen. Er erfreut sich noch heute einer ansehnlichen Lockenpracht. Pit blieb bei den Dänen an Bord und wir liefen fast gemeinsam in Poole ein. Leider hörten wir jetzt, dass es nicht der einzige Unfall war. Auf dem Boot Wales B hat auch ein Crewmitglied den Baum an den Kopf bekommen, ist dann aber rückwärts gefallen und mit dem Hinterkopf auf die Spi - Winsch geschlagen. Der Kollege wurde vom Poole Lifeboat abgeborgen und sofort ins Krankenhaus gebracht. Leider ist er 2 Wochen später an seinen schweren Verletzungen gestorben.
Kein Boot kam ohne Schaden über den Tag und so wurde in Poole ein Reparaturtag eingelegt, so dass die nächste Wettfahrt zur Kanalinsel Alderney um einen Tag verschoben wurde. An diesem „Ruhetag" passierte uns nun ein weiteres Missgeschick. Nachdem wir unsere Schäden (eingeschlagenes Skylight, gebrochener Lümmelbeschlag) repariert hatten, wollten wir dann mit unserem Crewbus, den uns ein britischer Kollege nach Pool gebracht hatte, nach Netley zurückfahren. Im Süden von Hampshire, zwischen den Ortschaften Christchurch und Beaulieu, liegt „New Forest", eine vollkommen naturbelassene Weidelandschaft, wo das Vieh ohne Zäune usw. gehalten wird. An den Straßen stehen Warnschilder: Animals on the Road . Day and Night. Also runter mit der Fahrt und aufgepasst. Nun musste ich einen LKW überholen, der mir natürlich die Sicht zur rechten Seite nahm. Plötzlich ein Aufprall und ein Schlag. Grund: Kuh auf die Hörner genommen. Resultat: Auto kaputt, Kuh tot. Die englischen Kollegen wurden informiert und sie kamen auch gleich, in Begleitung des Schlachters aus Lymington, dem solche Ereignisse offensichtlich nicht fremd waren. Ergebnis: Kuh wurde verarbeitet und wir waren fein raus. Es folgten endlose Telefonate, Werkstattsuche, Kontakt mit der Versicherung, damit der Wagen in die Werkstatt konnte. Hierbei haben uns die Kollegen aber sehr geholfen.
Wednesday, 12.th June 1991
Racing as directed
Endlich einmal ein Tag mit etwas handigerem Wind. Kein Regen, W 4-5 Bft. Direkt schon eine Wohltat. In der Nacht war der Tonnenleger schon ausgelaufen und hat auf 54 Grad Nord und 002 Grad West die Bahnmarke gelegt. Es sollte also wieder in den Kanal gehen. In der Steuermannsbesprechung hieß es, Zielhafen sollte die englische Kanalinsel Alderney sein. Also wurden in erster Linie die Gezeitenunterlagen studiert. Es wurde viel gerechnet und Papier produziert. Welches ist der nächste Bezugsort? St. Malo. Der Anschlussort ist demnach Alderney. Die mittleren Höhen des Springhochwassers in St.Malo betragen 12.2 Meter, der Höhenunterschied zu Alderney wird mit - 6.0 Meter angegeben. Also ist mit einer nicht unerheblichen Stromgeschwindigkeit zu rechnen. Hinzu kam die Berechnung der Mondphasen, natürlich in UTC. Welche Springverspätung ist anzurechnen? Was sagen die ATT (Admirality Time Tables)? Dübel Donnerwetter, wie lobe ich mir die Segelei in nahezu tidenfreien Gewässern. Langsam verstehe ich nun die Nordseesegler, die sich im Sommer vermehrt auf der Ostsee aufhalten. Die wollen segeln, wann sie wollen und nicht erst die Tiden ausrechnen. Wir hatten uns also gut vorbereitet.
Nun fiel mir ein Gespräch vor längerer Zeit ein, das ich mit einem Vormann der Royal National Lifeboat Institution geführt hatte. Er hatte mir einige Tipps für die Navigation im Kanal gegeben. Bei einer halbtägigen Gezeitenform (2 Tiden in ca. 12 Stunden) geht innerhalb einer Tide der Strom ca. 6 Stunden in die eine Richtung und dann 6 Stunden in die entgegengesetzte Richtung. Da die Zeit bis Alderney mit ca. 12 Stunden angenommen wurde, genügt es, wenn der Beginn der Reise (Start) zu Stauwasser erfolgt, lediglich den Kartenkurs zu ermitteln. Die ersten 6 Stunden wird man dann in die eine Richtung versetzt, die zweiten 6 Stunden in die andere Richtung. Nach ca. 12 Stunden sollte man das Ziel dann nahezu voraus haben. Da der Wind aber stetig nachließ, wurde eine Bahnverkürzung angeordnet. Es sollte nun nur noch um die Tonne im Kanal gehen und an den Needles vorbei nach Yarmouth auf der Isle of Wight. Nach dem runden der Tonne nahm der Wind allerdings wieder zu und kam südlicher. Mit raumen Wind bei 6-7 Bft. ging es dann mit Rauschefahrt durch die Südeinfahrt des Solent in Richtung Yarmouth.
Bei zunehmendem Ebbstrom konnten wir die Ziellinie vor der Hafeneinfahrt gerade noch erreichen und gingen und gingen wie ein Dwarslöper über die Linie. Die nach hinter uns liegenden Boote bekamen den Ebbstrom nun voll zu fassen. Der Wind wurde wieder flauer und es konnte kaum noch Fahrt über Grund gemacht werden. MühevoIles Aufkreuzen quer zum Strom war erforderlich. Einige Skipper überlegten schon, ob sie bis zum Kentern des Stromes vor der Ziellinie vor Anker gehen sollten, aber irgendwie haben es dann noch aIle geschafft, ohne diese Maßnahme den Zielhafen zu erreichen. Wir lagen schon längst an der Mooring, als die letzten Boote einliefen. Kurze Zeit später holte uns dann das Shuttleboot ab und im Clubhaus des Yarmouth Yacht Club wurde dann das eine oder andere „dünne Öl" (eingeschenkt nach engl. Manier gestrichen bis über die Freibordmarke) gelenzt.
Im Club erzählten uns die einheimischen Segler zum Teil wahre Horrorgeschichten über den unberechenbaren Strom im Solent. Es gab Boote, die wahrend einer Regatta eine halbe Kabellange vor der Ziellinie vor Anker gingen. Auf dem Vorschiff wurde dann eine Ankerwache eingeteilt, die dann laufend mittels Relingslog die Stromgeschwindigkeit überprüfte, um ja das Nachlassen des Stromes nicht zu verpassen. Derjenige, der den Anker am schnellsten wieder hoch hatte, ging als Erster durchs Ziel.
Thursday, 13.th June 1991
Racing as directed
Am Donnerstag war dann wieder recht früh der Start vor Yarmouth. Der Wind kam aus westlichen bis nordwestlichen Richtungen. Ziel sollte die altehrwürdige Start - und Ziellinie vor der Royal Yacht Squadron Cowes, Isle of Whigt sein. Natürlich, wie sollte es anders sein, nahm der Wind wieder kräftig zu. Gott sei Dank liefen Wind und Strom in eine Richtung, so dass sich keine sehr hohe See aufbauen konnte. In der Düse des Solents war es aber nicht möglich, Spi oder Blister zu führen. Auch die Genua musste sehr bald wieder geborgen werden und gegen Fock 1 ausgetauscht werden. Ins Groß kam ein Reff. Nun ging es einigermaßen, denn wir wollten ja nicht nach dem alten Segelschiffspruch „Schiet an Fahrt, Lage mut hei hem" verfahren. Ab der Mündung des Beaulieu - River wurde dann noch eine Bahnänderung angezeigt. Es sollte noch einmal rund um die Bramble - Bank gehen, wo die vom Admirals-Cup ausliegenden Bahnmarken abzusegeln waren. Ein sehr anspruchsvoller Kurs, aber er bot die Möglichkeit zu spannenden Schiff gegen Schiff Manöver. Wenn man aufgrund der Regeln ein Ausweichmanöver fahren musste, konnte es passieren, dass der Strom das Boot ein erhebliches Stück nach Stromlee versetzte. Das mühevolle Aufkreuzen bis zur Bahnmarke war dann ein ordentliches Stück Arbeit. Wenn sich hierbei wieder Boote bedrohlich nahe kamen, konnte es schon einmal passieren, dass bei der Wahl der Wörter Brehms Tierleben herangezogen wurde.
Auf diesem Inshore Race haben wir es geschafft, unsere Westerly Lullaby mit Strom und Welle auf über 13 Knoten über Grund zu prügeln. Wenige Minuten, nachdem der erste Zieldurchgang mit der alten Bronzekanone vor dem Clubhaus der RYSC abgeschossen wurde, gingen wir wieder als fünftes Boot über die Linie und liefen dann in den Yachthafen von Cowes ein. Wir waren schon lange fest, da kam auch das dritte Boot unseres Teams, unsere Hubschrauberpiloten des BGS, im Hafen an. Wie immer in bester Laune und mit dem Trompetensignal der US -Cavalery machte sie dann längsseits von uns fest. Nun waren wir also aIle im Mekka der Hochseesegler angekommen. Ein erhabenes Gefühl.
Nach dem obligatorischen Einlauf Öl war es nun an der Zeit, uns einigermaßen landfein zu machen, denn für den Abend war der Höhepunkt des Events vorgesehen: Ein Empfang mit anschließendem Essen in der „Royal Yacht Squadron, Cowes", dem wohl bekanntesten und berühmtesten Yachtclub der Welt, den Damen nach alter maritimer engl. Tradition nur durch den Hintereingang betreten dürfen. Dieser liegt übrigens so versteckt noch hinter dem Personaleingang, so dass man glaubte, hier könne es nur noch zu den Öffentlichen Toiletten fuhren.
1930 hours:
Reception at the RYSC, Isle of Wight. This is the most exclusive yacht club in the United Kingdom. Please ensure that all crewmembers are in possession of either dark suit, blazer and flannels, uniform or reefer jackets to attend this function.
Daher also die Anweisung, den „Anzug 1. Geige" nicht zu vergessen. Und das für aIle Mann und auf einem 35 ft. Schiff.
Es wurde dann aber zu einem der Highlights der ganzen Regatta. Ein traumhaftes kaltes und warmes Buffet, interessante Gespräche mit Teilnehmern, Offiziellen und Kollegen aus aller Welt und noch mehrere Kostproben des typisch englischen Humors. Und das alles in exklusiver Umgebung. Die Strapazen der vergangenen Tage einschließlich aller Blessuren waren vergessen
Der Start des letzten Wettfahrttages war für 0900 Uhr angesetzt. Die Startlinie befindet sich direkt vor dem Clubhaus der RYSC und ist fest eingerichtet. Die Startsignale werden hier mit alten Bronzekanonen gegeben, die vor dem kastellartigen Clubhaus in Form einer Küstenbatterie aufgebaut sind. Die Ausrede, die Signale nicht gehört zu haben, zählt hier nicht. Die Schüsse sind beim besten Willen nicht zu überhören.
Nach dem Start, von dem wir sehr gut wegkamen, frischte der Wind natürlich wieder auf bis auf 7-8 Bft. Und war sehr böig. Der Kurs war nicht sehr lang ausgelegt. Es sollte nur einmal um die Bramble - Bank in Richtung Plymouth gehen. Das Ziel war dann vor Hamble- Point ausgelegt. Ausgerechnet hier auf dem letzten Teilstück des Kurses passierte uns dann doch noch ein Missgeschick. Da uns, wie so häufig schon, die kleinen gelben Männer aus Hongkong im Nacken saßen, haben wir den schon verpackten Spi wieder hervor geholt und gesetzt. Das hat er uns ganz offensichtlich übel genommen und beide Schothörner, die in den vergangenen Tagen sicherlich auch einiges aushalten mussten, rissen aus und der Lappen verdrehte sich zu einem Korkenzieher. So war er jedenfalls nicht mehr zu bergen. Gott sei Dank war das kurz vor der Ziellinie und das ganze Malheur kostete uns nur einen Platz. Wie aber den verdammten Spi wieder an Deck kriegen? An der Backbordseite des Southampton Waters lag ein riesiger Bulk- Carrier. Unter Motor lief ich auf die andere Seite und ging unter das Heck dieses Fahrzeugs und kam so durch die riesige Abdeckung in den Windschatten. Ein Mann konnte nun in den Mast und das Spifall am Kopf abschneiden. So kam das verdammte Ding dann doch noch an Deck und wurde für den „Büdel" aus Hamble- Point zurechtgelegt.
Gegen 1400 Uhr waren dann alle Boote an ihren Liegeplatzen und das letzte Einlauf Öl wurde gelenzt. Wir waren alle, ohne Ausnahme, fix und fertig und fingen so langsam an, unsere Blessuren zu verarzten.
Mit gemischten Gefühlen machten wir, wie die Mariners sagen, „Seeklar zurück". Dabei mussten wir jedoch immer auch an unseren Kollegen aus Wales denken, der immer noch auf der Intensivstation im Krankenhaus in Southhampton lag und für den immer noch akute Lebensgefahr bestand. Leider hat er den Unfall nicht überlebt, wie uns wenig später, als wir schon wieder in Deutschland waren, berichtet wurde.
Am Abend des 14.Juni war dann die Abschlussfeier mit Essen und der Preisverteilung im großen Saal des Netley Police Training Headquarters, Anzug natürlich wieder 1. Geige oder Uniform, denn hier halt man nach guter britischer Art auf Stil.
In der Einzelwertung haben wir einen recht beachtlichen 4. Platz heraus segeln können. Die Mannschaftswertung war dann aber nicht ganz so prickelnd, da Germany C, also unser drittes Boot, zwar immer die lustigsten waren, auch nie das Trompetensignal bei Queren der Ziellinie vergaßen, es ansonsten aber gemütlich angehen ließen.
Nun ja, „everybody paddels his own Kanu", wie der Indianer zu sagen pflegt. Aufgrund unserer Hilfeleistung in der Sturmregatta (Zusammennähen der Kopfschwarte und dadurch Rettung der vollen Haarpracht bei einem dänischen Kollegen. Siehe Teil 1 des Berichtes) gab es für uns dann noch einen kleinen Sonderpreis. Er steht jetzt im Vereinsheim.
So rechte ausgelassene Stimmung wollte aber bei keiner Crew aufkommen, da uns das Schicksal unseres walisischen Kollegen natürlich berührte, zumal wir zu diesem Zeitpunkt bereits über die Schwere der Verletzung informiert waren. Spontan organisierten dann die Kollegen aus Hongkong eine Sammlung für die Familie des Verletzten, allerdings nach einem raffinierten System. Es wurde ein Zeremonienmeister ernannt, der die Art und Weise, wie man die Getränke zu sich nehmen sollte, ansagte. Zum Beispiel: left hand drinking. Wer hier sein Glas in der rechten Hand harte, musste zahlen. Interessant war dann: No hand drinking. Bartträger waren hier klar im Vorteil, es lief nicht alles in den Kragen.
Gegen Morgen segelten wir dann alle mit mehr oder weniger Schlagseite in die Kojen in den Gästehäusern des Training Centers. Herrlich, kein Pfeifen des Sturmes in den Wanten, keine Gedanken an den nächsten Wettfahrttag. Ich träumte aber von unserem Crewbus, der zwar immer noch leicht lädiert, uns aber dann doch heil nach Hause brachte.
Abschließend kann gesagt werden, dass das Segeln im AC Revier für uns normalerweise tidenfreie Segler eine ganz besondere Herausforderung darstellte, missen mochte diese Erfahrung aber keiner von uns.
Im Jahr 1993 fand dann die nächste WM in der Ostsee statt, an der ich aber als aktiver Segler nicht mehr teilnahm, die lieben Kollegen hatten mich nun als Wettfahrtleiter ausgeguckt.
Jens im Sessel des Prinzen (Phillip)