Unser 2. Vorsitzender, Wolfgang Jahn, hat im Februar 2000 den Containerschiffen und sonstigen lotsenpflichtigen Wasserfahrzeugen den Rücken gekehrt und in der Zeit vom 09.02. bis 23.02.2000 als 1. Steuermann auf dem Großsegler Alexander von Humboldt angeheuert. Hier sein Bericht:
Mit der Alexander von Humboldt durch die Kanarischen Inseln vom 09.02. -23.02.2000
Am 09.02.2000 war es wieder soweit. Der grüne Bazillus hatte wieder zugeschlagen. Diesmal war es nicht die Karibik, sondern unter grünen Segeln durch die Kanarischen Inseln.
Im Januar noch fegten orkanartige Stürme über die Inseln mit gewaltigen Regenmassen, die zum Teil die Inseln unter Wasser setzten. So fragten wir uns, wie wohl jetzt das Wetter werden würde. Aber Neptun war mit uns, bekam er doch gleich zu Beginn der Reise seinen Obulus in Form eines bestimmten Getränks.
Bei Ankunft in Las Palmas - Beginn der Reise - erwartete uns Wärme, Sonne und nur einige Cumuluswolken. Noch am Ankunftstag wurde Proviant übernommen, die Klarierung mit den Behörden erledigt, so dass am nächsten Tag gegen 10.00 h nach der Einweisung der Mannschaft und der Trainees das Auslaufen stattfand. Die Wetterkarte zeigte uns ein kräftiges und stabiles Azoren-Hoch mit 1035 hpc, das uns einen konstanten NE-Passat versprach. Auf den Gesichtern aller Besatzungsmitglieder erschien nach Bekanntgabe dieser herrlichen Wetterprognosen ein hämisches Grinsen, zogen doch über Nordeuropa gewaltige Tiefdruckgebiete mit starkem Wind und viel Regen hinweg. Von Las Palmas aus ging es auf den ersten 180 sm langen Törn zur Nordspitze Teneriffas und weiter mit Kurs 270 nach La Palma mit dem Hafen Santa Cruz de La Palma. Zu Beginn der Reise ist es immer gut, einen langen Seetörn vor sich zu haben, damit insbesondere die Trainees sich erst einmal an die See, das Wachegehen und Schaukeln gewöhnen und die Seekrankheit mit einem Stück Speck überwinden.
Nach leichten Winden und moderater nördlicher Dünung erreichten wir am 11.02. Santa Cruz. La Palma - die grüne Insel mit zwei ganz unterschiedlichen Vegetationsgebieten, geteilt von einem Höhenrücken in N-S Richtung - ist wohl eine der interessantesten, schönsten und geschichtsträchtigsten Inseln dieser Region. Meines Erachtens die schönste.
Nach einer von der Schiffsleitung organisierten Busrundreise ging es am 12.02. bei herrlichem Wind - 2 Strich achterlicher als dwars - unter voller Besegelung - von den Royals über alle Stagsegel bis zum Besantoppsegel - mit 9,5 knt Richtung Gomera. Leider mußte ich gegen 0600 h morgens die Royals aufgeien lassen wegen der Schräglage. Der Koch und die Backschafter hatten etwas dagegen. Vom 13. -14.02. lagen wir in San Sebastion auf Gomera. Diese Zeit stand zur freien Verfügung und wurde von den Trainees zu einem Bummel durch die Stadt und in die nähere Umgebung genutzt.
Der neu gesteckte Kurs sollte uns zum 90 sm entfernten Ziel Port Mogan auf Gran Canaria führen. Bei direktem Kurs wären wir in die windstille Zone unter Teneriffa gekommen, wir aber wollten ja segeln. Der Wind war vorhanden, Stärke 7 -8, nur brachte er uns relativ weit nach SE. Durch Wenden und Halsen kann man mit einem Rahsegler kaum Höhe machen. So mussten wir, nur mit Stagsegeln und Maschine, das letzte Stück Richtung Port Mogan machen. Port Mogan, eine zum Teil künstlich hergestellte Stadt, aber architektonisch gelungen, wenigstens das Hafengebiet. Hier verbrachten wir bei herrlichem Wetter cocktailtrinkenderweise den Nachmittag, bis wir gegen 2100 h den Anker hievten und die 60 sm bis Santa Cruz de Teneriffa angingen.
Auch auf diesem Törn segelten wir unter Vollzeug mit Raumwind. Unter solchen Bedingungen in Begleitung von Delphinen und fliegenden Fischen kann man nur sagen: Unter grünen Segeln zu segeln macht einfach Spaß. Wir mußten uns mit einer Rundreise über die Insel Teneriffa begnügen; der Karneval fing erst eine Woche später an. Aber die Vorbereitungen waren in vollem Gange.
Das nächste Ziel sollte Lanzarote sein. Das verhinderte diesmal der weiterhin konstante NE-Passat. Und mit Maschine fahren? Hier wird gesegelt! Also nahmen wir uns die Südküste von Fuerteventura vor. Aber nicht um an Land zu gehen, sondern um an der SE-Küste von Fuerte auf Windstärke 7 zu stoßen, der uns bis auf 15 sm an die marokkanische Küste brachte. Das war nahe genug, denn die marokkanische Coastguard war schon aufmerksam geworden. Bereits am Morgen waren wir von der spanischen Coastguard mit Argwohn beobachtet worden, da auf diesem Seeweg viele Marokkaner den Sprung ins spanische Asyl suchen. Das mögen die Spanier gar nicht. Aber auch Landgang muß sein. Also gingen wir vor Morro Jable vor Anker, fuhren mit unserem Schlauchboot an die Beach zum Bummeln und Baden und um dicke deutsche Winterurlauber zu begucken. Um 1800 h fand dann an Bord das große Captain's Dinner statt, ein 4-Gänge Menue mit deutschem Beck's Bier und spanischem Rotwein.
Am 22.02. abends ging es Anker auf in Richtung Las Palmas Gran Canaria. Nachdem vormittags mit all hands klar Schiff gemacht wurde, liefen wir gegen 1400 h nach 804 Seemeilen in Las Palmas ein und hatten den Abend zum Ausklingen der Reise - sprich Landgang.
Am 23.02. verließ die Besatzung die „Alex„, um mit einer anderen Crew den nächsten Törn anzutreten. Eine wunderschöne Segelreise mit einem Rahsegler unter grünen Segeln war wieder einmal zu Ende gegangen. Und das Azoren-Hoch hatte gehalten, was es versprach.
Wolfgang Jahn, 1. Steuermann